„Im Herbst oder Winter muss das Gehege gekalkt werden“, heißt es. Auf diese Weise soll der Kalziumgehalt in den Gehege- und Futterpflanzen erhöht werden. Dadurch soll ein Angleich an den Kalziumgehalt der Pflanzen in den natürlichen Habitaten der Griechischen Landschildkröte erreicht und ein Kalziummangel verhindert werden.
Wie der Kalziumgehalt in den Pflanzen beeinflusst wird
Ist der Kalziumgehalt der Pflanzen in den Habitaten denn wirklich höher als bei uns? Dafür müssen wir uns anschauen was denn einen höheren Kalziumgehalt in den Pflanzen begünstigt oder verhindert. Kalzium ist einer von vielen Mineralstoffen, die in den Böden vorkommen können. Ich wähle hier bewusst die Mehrzahl, denn Boden ist nicht gleich Boden. Je nach Zusammensetzung aus organischen Bestandteilen, wie z.B. Humus, Torf oder Braunkohle, und anorganischen Bestandteilen, wie z.B. Kies, Sand oder Ton, unterscheiden sich Böden sehr stark voneinander. Auch innerhalb von Deutschland gibt es regional teils große Unterschiede. Ist ein Mineral vorhanden, heißt das aber noch nicht, dass dieser den Pflanzen auch zur Verfügung steht. Dafür muss der Mineralstoff im Boden auch löslich sein. Die Löslichkeit einzelner Mineralstoffe, wird durch den sogenannten Boden-pH beeinflusst. Die Skala reicht von 0-14, wobei die 7 dem Neutralwert von reinem Wasser entspricht. Bei Böden spricht man bei Werten zwischen 6,5 und 8 von neutral. Alles darunter sind saure Böden und alles darüber basische Böden. Welchen Effekt der pH-Wert auf die einzelnen Mineralstoffe hat, könnt ihr in der nachstehenden Abbildung sehen.
Es lässt sich gut erkennen, dass die Verfügbarkeit von Kalzium (dunkelblau dargestellt) bis zu einem gewissen Maße mit zunehmendem pH-Wert ansteigt. Um jetzt beurteilen zu können, ob die Pflanzen in den natürlichen Lebensräumen der Griechischen Landschildkröte tendenziell mehr Kalzium besitzen, müssen wir uns noch anschauen welchen pH-Wert die Böden durchschnittlich haben. Tatsächlich sind die Böden in Deutschland tendenziell eher sauer, während die Böden im Mittelmeerraum zumindest in den Küstengebieten im Durchschnitt einen neutralen pH-Wert aufweisen. Es lässt sich also sagen, dass die Pflanzen in diesen Regionen Kalzium tatsächlich besser einlagern können und tendenziell einen höheren Gehalt aufweisen. Leider habe ich keine Vergleichsstudie gefunden, in welcher der Kalziumgehalt einzelner Pflanzen aus verschiedenen Regionen gegenübergestellt wurde, die diese Aussage nochmal untermauert oder widerlegt.
Den pH-Wert mit Kalk regulieren – Welcher Kalk und wie viel ist nötig?
Aus den Abbildungen oben geht ebenfalls hervor, dass wir sowohl einen zu basischen als auch einen zu sauren Boden vermeiden wollen, denn wichtige Mineralstoffe wie Kalzium, Magnesium oder Phosphor, stehen in sauren Böden kaum zur Verfügung und können von den Pflanzen nur schwer eingelagert werden. Zudem besteht die Gefahr, dass von den Pflanzen giftige Schwermetalle aufgenommen werden [4]. Mikronährstoffe wie Eisen oder Zink, die ebenfalls wichtig sind, können hingegen in basischen Böden nur schlecht von den Pflanzen aufgenommen werden. Zudem ist die Aktivität von wichtigen Bakterien, Regenwürmern und anderen Lebewesen in neutralen Böden höher, was einen positiven Effekt auf das Pflanzenwachstum hat. Um den pH-Wert zu erhöhen ist tatsächlich Kalk das Mittel der Wahl. So ist es in Land- und Forstwirtschaft gängige Praxis mit Hilfe von Kalk saure Böden zu neutralisieren. Dafür wird meist kohlensauer Kalk (ein Naturkalk, der durch Jahrtausendelange Verdichtung und Anreicherung von Muscheln, Korallen etc. entstanden ist), auch als Kalziumkarbonat bekannt, verwendet. Dazu zählt zum Beispiel der von einigen Schildkrötenhaltern empfohlene Dolomitkalk*, aber auch Algenkalk, Rasenkalk oder zerkleinerte Schneckenhäuser und Muschelschalen bestehen aus Kalziumkarbonat. Sogar Kreidesteine können für die Kalkung verwendet werden.
Wer jetzt allerdings glaubt einfach munter Kalk ins Gehege streuen zu können, der irrt leider. Für eine optimale Kalkung ist leider eine Bodenanalyse nötig, denn die Berechnung zur optimalen Menge hängt zum einen vom aktuellen pH-Wert ab und zum anderen von der Zusammensetzung des Bodens. Unterschiedliche Anteile von Torf und Ton beeinflussen den Effekt, den der Kalk auf den pH-Wert hat. Hinzu kommt noch die Frage, ob es sich um einen Kohlensauren Kalk oder einen Kohlensauren Magnesiumkalk handelt bzw. wie hoch der tatsächliche Kalziumgehalt ist. Das näher zu erläutern würde für diesen Beitrag viel zu komplex werden. Eine professionelle Analyse kostet leider viel Geld. Um trotzdem einen Anhaltspunkt zu bekommen, kann man ein Testkit wie den pH Bodentest von Neudorff* verwenden. Damit lässt sich immerhin der pH-Wert ermitteln.
Es ist daher nicht so einfach eine Mengenangabe zu empfehlen. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft rechnet in ihrem Merkblatt zur Kalkdüngung an einem Beispiel einen Bedarf von 3000kg kohlensauren Kalziumdünger für eine Fläche von 1ha für eine Erhaltungskalkung alle 3 Jahre. Dies entspricht lediglich 3g pro m². Auf den Verpackungen gängiger Kalkdünger in den Baumärkten finden sich oftmals Empfehlungen einmal pro Jahr zwischen 50g und 250g pro m² in Abhängigkeit von der Art des Bodens auszubringen. Das erscheint vergleichsweise hoch, ein direkter Vergleich ist auf Grund der verschiedenen Einsatzbereiche allerdings auch nicht wirklich möglich. Was definitiv zu hoch ist sind Empfehlungen, die über diese Werte hinausgehen. Ich habe schon Empfehlungen von 1kg Dolomitkalk pro m² Gehege gelesen. Das ist viel zu hoch und wird bei regelmäßiger Wiederholung in diesen Massen über kurz oder lang den Boden schädigen und dazu führen, dass den Pflanzen andere wichtige Stoffe fehlen.
Der ideale Zeitpunkt das Gehege zu kalken
Eine Aussage über den idealen Zeitpunkt zu treffen ist wieder nicht ganz trivial. Die Düngekalk Hauptgemeinschaft (DHG) hat für viele verschiedene Nutzungsweisen Empfehlungen für den idealen Zeitraum veröffentlicht [6], allerdings für den landwirtschaftlichen Nutzungsbereich. Da die Pflanzen in unseren Schildkrötengehegen anders genutzt werden und z.B. nicht komplett abgeerntet werden, gelten hier andere Maßstäbe. Idealerweise sollten die Nährstoffe den Pflanzen dann zur Verfügung stehen, wenn diese auch akut gebraucht werden, nämlich in der Wachstumsphase. Zu beachten ist, dass es je nach Produkt 1-4 Wochen dauert, bis es sich vollständig aufgelöst hat und seine Wirkung gänzlich entfalten kann. Eine Kalkung ist meiner Ansicht nach zu Beginn des Frühlings am sinnvollsten und ich empfehle diese so im Januar/Februar herum durchzuführen, bevor die Schildkröten aus der Winterstarre kommen. Eine Kalkung im Herbst ist weniger effektiv. Der Regen wird bis zum Frühling einen großen Teil des Kalks wieder weggespült haben und der Boden dadurch wieder etwas versauern. Eine Kalkung im Frühjahr ist daher deutlich effizienter. Es muss weniger Kalk ausgebracht werden, was den Boden und das Portemonnaie schont.
Zusammenfassung und Fazit
Wir können festhalten, dass…
- die Böden in den Habitaten durchschnittlich einen höheren (neutral) pH-Wert aufweisen als in Deutschland (sauer) und
- die Pflanzen dort tendenziell einen höheren Kalziumgehalt aufweisen können.
- Ein neutraler Boden-pH ist dabei erstrebenswert.
- Mit Kalk lässt sich saurer Boden neutralisieren.
- Für die Bestimmung der optimalen Kalkmenge ist eine Bodenanalyse nötig.
- Zu saure und zu basische Böden haben einen negativen Einfluss auf das Wachstum der Pflanzen und deren Nährstoffgehalt.
- Zu viel Kalk macht den Boden basisch.
Eine gelegentliche Kalkung ist für die Regulierung des pH-Wertes also durchaus sinnvoll, insbesondere um saure Böden zu vermeiden. Diese entstehen automatisch mit dem Regen, der Inhaltsstoffe aus dem Boden spült und somit den pH-Wert senkt. Allerdings darf mit dem Kalk auch nicht übertrieben werden, da sonst ein gegenteiliger Effekt als der gewünschte eintritt. Von daher solltest du nicht über die Empfehlungen auf der Verpackung hinaus düngen und kannst auch ruhig mal in dem ein oder anderen Jahr das Kalken auslassen. Das ist zumindest meine Empfehlung. Für eine optimale Kalziumversorgen deiner Schildkröten empfehle ich Sepiaschale anzubieten, an denen sie bei Bedarf knabbern können.
Quellen
[1] Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft: DLG Merkblatt 456 – Hinweise zur Kalkdüngung, 3. Auflage, Stand: 05/2022
[2] Yara: Kalkdüngung – Die Grundlage für sichere Erträge
[3]’Map of Soil pH in Europe‘, Land Resources Management Unit, Institute for Environment & Sustainability, European Commission – Joint Research Centre, 2010
[4] Bundesinformationszentrum Landwirtschaft: Mit Kalk gegen Schwermetalle, Heft 0389, 3. Auflage, ISBN 978-3-8308-1393-4, 2020
[5] Wikipedia: Boden-pH
[6] Das Düngejahr, DHG-Website, https://www.naturkalk.de/anwendungen/das-duengejahr
[7] Scherstjanoi, Marc / Grüneberg, Erik / Wellbrock, Nicole, Deutschlandkarte zum Boden-pH (Unterboden), Johann Heinrich von Thünen-Institut, Institut für Waldökosysteme Eberswalde, 2021
[8] Galler, J. (2013): Kalk – Basis für Bodenfruchtbarkeit