Die Auswirkungen des Klimawandels auf Schildkröten sind noch nicht gänzlich geklärt, lassen aber böses vermuten. BBC, Der Spiegel oder die Washington Post schockieren gerade mit Überschriften in denen es heißt, dass wegen des Klimawandels 99% der geschlüpften Meeresschildkröten Weibchen sind und nur noch 1% Männchen. Anlass ist ein in „Current Biology“ veröffentlichter Artikel von Jensen et al., bei dem die Ergebnisse von Untersuchungen am Great Barrier Reef in Australien vorgestellt werden, die ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte.
Untersucht wurden 3 Gebiete entlang des Great Barrier Reef an denen Suppenschildkröten Chelonia mydas nisten. Eins am nördlichen, eins am südlichen Ende des Riffs und eins auf den Korallenmeerinseln. Auf der Karte unten sind die Gebiete eingezeichnet. Im kühleren Süden lag der Anteil an Weibchen bei 65%-69%, wohingegen der Anteil im wärmeren Norden bei 99,1% bei juvenilen, 99,8% bei semi-adulten und 86,8% bei adulten, also geschlechtsreifen, Schildkröten lag. Demnach wäre also ein klarer Trend für einen höheren Anteil an Weibchen in wärmeren Gebieten zu erkennen. Das Geschlecht von Schildkröten ist abhängig von der Temperatur im Ei. Aus kühleren Eiern schlüpfen Männchen und aus wärmeren Weibchen. Diese Tatsache würde die Annahme bestätigen, dass mit steigenden Temperaturen künftig deutlich mehr Weibchen schlüpfen werden als heutzutage.
Die Autoren merken aber auch an, dass die Untersuchungsmethode gerade bei den juvenilen Tieren mitunter recht ungenau sein könnte. Die einzige Methode das Geschlecht eindeutig zu bestimmen liegt in der Untersuchung der Geschlechtsdrüse, welche nur bei toten Tieren gemacht werden kann. Da es ethisch verwerflich gewesen wäre Tiere dafür zu töten, wurden lediglich bereits tote Tiere untersucht, die hauptsächlich Krähenkolonien zum Opfer gefallen sind. Das eigentliche Verhältnis von männlichen zu weiblichen Schildkröten könnte daher durchaus verzerrt sein. Darüber hinaus wird angemerkt, dass der hohe Anteil an Weibchen auch andere Gründe haben könnte. Die Population im Norden war in der Vergangenheit stark geschrumpft und es könnte sein, dass die Natur auf andere Weise Einfluss ausübt und mehr Weibchen schlüpfen, um die Population zu stabilisieren.
Desweiteren ist völlig unklar wie die Zukunft der Schildkröten aussieht. Schildkröten gab es vor den Dinosauriern. In den über 200 Millionen Jahren gab es auf der Erde immer wieder verschiedenste klimatische Bedingungen. Ich persönlich habe die Hoffnung, dass Schildkröten weiterhin überleben werden, obwohl sie sich nur vergleichsweise langsam an die klimatischen Änderungen anpassen können.
Quelle: Jensen et al., „Environmental Warming and Feminization of One of the Largest Sea Turtle Populations in the World“ in Current Biology , Volume 28 , Issue 1 , 154 – 159.e4.
Wunderbar recherchierter und sehr informativer Artikel. Da ich selbst keine Schildkröten halte – ich habe zu viele andere Reptilien bei mir und kann ansonsten nicht die benötigte Zeit aufbringen – ist mein Wissen in Sachen Schildkröten noch ausbaufähig. Da sind derartige Artikel sehr interessant und lesenswert.